‚Baukultur ist… in die Zukunft schauen‘, Kolumne für die Bundesstiftung Baukultur

Veröffentlicht am 26. November 2011 by kristienring

 

„Nur wenn die Parameter, in denen wir als Architekten und Planer arbeiten, zeitgemäß sind und immer wieder neu definiert werden, kann Baukultur weiterhin entstehen.“

von Kristien Ring

In einem überparteilichen Konsens hat die Bundesregierung den Ausstieg aus der Nuklearenergie und damit den Ausbau der Energiegewinnung durch erneuerbare Ressourcen beschlossen. Die Veränderungen betreffen nicht nur die Energieproduktion, sondern auch unsere gebaute Umwelt. Doch was bedeuten neue und zukünftige Systeme für die Architektur und Planung? Um die Qualität von Baukultur zu gewährleisten, müssen die richtigen Zukunftsfragen gestellt und die Parameter des Bauens dementsprechend justiert werden.  Heutzutage heizen und kühlen wir unsere Häuser hauptsächlich mit endlichen fossilen Brennstoffen. Daher ist es notwendig, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen und so viel wie möglich davon einzusparen.

Das ‚Gebäude mit der Wollmütze‘ ist zum Symbol für Energiesparen geworden, während die Bundesregierung mehrere Millionen in die Förderung von Gebäudedämmung investiert. Die Skulptur “The Fat House” des österreichischen Künstlers Erwin Wurm veranschaulicht die Situation, die derzeit vorangetrieben wird. Das Anbringen von Styroporplatten auf die Oberflächen unserer gebauten Umwelt ist zum Mantra geworden. Wie der Kauf von Ökogemüse in Styropor und Plastik verpackt, steht dieses in wachsendem Widerspruch zu der eigentlichen Intention und dem Ziel. Allem guten Willen zum Trotz bleibt es bisher nur eine unbefriedigende Lösung mit einem vereinfachten Ansatz.

Doch was wäre, wenn wir mehr Energie produzierten als wir speichern könnten?  Was wäre, wenn das Produzieren, Verteilen und Nutzen von Energie ein integraler Bestandteil unseres täglichen Lebens wird? Die Wende hin zu erneuerbaren Ressourcen hat einen Paradigmenwechsel zur Folge. Das Passivhaus könnte zum Aktivhaus werden.  Wir müssen jedoch noch einen Schritt weiter in die Zukunft denken und unter Berücksichtigung der Umwelt unser althergebrachtes System neu bewerten. Innovation wird der Katalysator der Low Carbon Economy (LCE) sein – Pluralität in unseren Herangehensweisen als Schlüssel für ein positives Wachstum vorausgesetzt.

Doch damit Innovation entsteht, sollten gewisse Paradigmen Berücksichtigung finden: Verantwortung, Wettbewerb, Partizipation und Kommunikation, um nur einige zu nennen. Um Architekten das Ausprobieren von neuen Baumethoden und Materialien zu ermöglichen, ist es zwingend, Haftungsfragen anzugehen – eine schon jetzt dringende Frage in Deutschland. Selbst wenn ein Bauherr heutzutage bereit ist, mit seinem Architekten innovative Prozesse voranzutreiben, wird der Architekt bei der Ausführung durch zahllose DIN- und EU-Normen ausgebremst, es sei denn, er geht hier ein unkalkulierbares Risiko ein. Innovation kann nur dann umgesetzt werden, wenn sie im Interesse aller steht.  Demnach sollte das Experimentieren eher gewürdigt werden, statt es auf den finanziellen Schaden des Architekten hinauslaufen zu lassen.  Wettbewerbe sollten offen sein; für eine Vielfalt an innovativen Ideen und möglichen Antworten, aber auch für jeden qualifizierten Architekten und der Nachwuchsgeneration.  Wettbewerbe sind kreative Ressourcen, die stärker öffentlich diskutiert werden sollten. In Zukunft müssen vielfältigere Methoden gefunden werden, um eine breitere Öffentlichkeit zu involvieren. Dies kann nicht bedeuten, dass Architekten zu Entwurfs-Moderatoren werden.  Eine bessere Beteiligung würde das generelle Interesse und folglich die  Experimentierfreudigkeit, die Offenheit für neue Ideen sowie die Bereitschaft für gemeinsame Verantwortung steigern.

Nur wenn die Parameter, in denen wir als Architekten und Planer arbeiten, zeitgemäß sind und immer wieder neu definiert werden, kann Baukultur weiterhin entstehen.  Veränderung begrüssen und die Zukunft mit gestalten, das ist die Herausforderung unserer Zeit.

(pdf download bei der Bundesstiftung Baukultur)

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